Dirk Becker – Im Herzen Rum:
Ein Interview

Seit 15 Jahren. Leidenschaft. Herzblut. Populär. Koryphäe. Einfach mehr Rum. Wir
reden von Dirk Becker. Er ist der Rum Papst in Deutschland und sicher einer der ersten, der Rum als Premium Getränk wahrgenommen hat. Noch heute arbeitet er ganz viel an der Basis um Rum noch publiker zu machen, als er schon ist! Es ist an der Zeit, diesen Mann und seine Faszination für Rum kennenzulernen! Mitten in Berlin sitzen wir, der Daniel vom Einkauf und ich, Falk, der Rum-Schnacker, gemeinsam und ganz gemütlich mit Dirk zum Rum Talk!

Ein ATP-Tennis-Turnier

Dirk: Ich fang mal damit an, wie das Alles hier entstanden ist. Goldschmied und,Einzelhandelskaufmann hab ich gelernt. Mit 16 hab ich angefangen Cocktails zu machen. Im Schrank meiner Eltern gab es den ersten Cocktailshaker aus den 60er Jahren, der eher wie zerbrochenes Glas ausschaute. Oh, wie hat mich das fasziniert! Auf einer Geburtstagsparty meiner Freundin hab ich dann einfach rausgehauen: Hey, ich mach die Drinks für euch – ein Wunder, dass alle überlebt haben.

Falk: Weil du ja wahrscheinlich auch die schönsten Spirituosen am Start hattest?

Dirk: Das war ja auch 30 Jahre her oder so. Zu der Zeit war die Auswahl noch nicht wirklich groß und mit viel blau und grün vorhanden. Dann hab ich die deutschen Geschichten bleiben gelassen und mir gesagt, ich mach worauf ich richtig Bock habe. Eine Kochausbildung! 8 Jahre lang gekocht und endete dann als Küchenchef in einem Restaurant mit einem Stern. Allerdings hat mir das irgendwann keinen Spaß mehr gemacht. Mehr als einen Fisch auf den Punkt genau zu garen und trotzdem hatte immer ein Gast etwas zu meckern – das war nicht so mein Fall. Egal wie viel Mühe ich mir gegeben habe, die Leute haben es einfach nicht verstanden, toleriert, kapiert. Im Endeffekt hat es keinen großen Unterschied gemacht, ob wir eine besonders gute Qualität oder weniger gute Qualität verwendet haben. Die Gäste haben es eh nicht gecheckt und Lob oder Beschwerde hing von der Laune ab, weniger vom Essen selbst. Habe dann eine Zeit lang als Bartender gearbeitet. Auch international in Madrid. Bei einem großen Event-Veranstalter als Barchef für ein ATP-Turnier mit 15.000 Leuten!

Falk: Aber das hat dann mehr Hektik, als Kreativität, oder?

Dirk: Ja, das ist dann so. Es sind aber Stationenim Leben, bei denen ich viel gelernt habe. Spannend war es dann, wenn ein Spiel geendet hat. Die haben halt ein riesiges Gelände gemietet. 25.000 Quadratmeter mit Themenrestaurant. Die ganzen Zuschauer kamen dann vorbei, denn sie konnten essen und trinken, was immer sie wollten. Die haben damals 15.000 € für ein Ticket bezahlt. Dafür hatten wir eine ganze Bar zur Verfügung. Die Mädels hatten dann die Mojitos bereits in Reihe zu 1.500 aufgebaut – zu jedem Spielende am Start. Mit dem Problem, dass du ja nie genau wusstest, wann so ein Spiel zu Ende ist. Deshalb war der Rum bereits drin, aber die Minze noch oben am Rand, die wäre sonst ganz schnell durchweicht gewesen. Sobald das Go kam, wurde in Windeseile die Minze reingeschubst, umgerührt und war dann servierfertig! Was man vor allem lernt ist schnelles und effektives Arbeiten. Das kann man auch nur machen, wenn man jung ist. Die Arbeitszeit betrug im Schnitt 16-18 Stunden, das Ganze zwei Wochen lang am Stück. Und danach sind wir ja gemeinsam mit dem Team noch essen gegangen – und so manches mal auch noch feiern. Mit Mitte 25 war das noch kein Problem! Nach dieser Erfahrung kam ich zurück nach Berlin und hab ein Restaurant aufgemacht. Ein Restaurant zusammen mit einer Bar, dachte ich, ist eine gute Idee. Funktioniert aber in Deutschland nicht. Heute inzwischen besser, damals einfach schwierig und ich hatte mir damals auch einfach den falschen Geschäftspartner ausgesucht.

Dirk Becker 1

Falk: Auf was hast du dich fokussiert?

Dirk: Wir haben mediterrane Küche gemacht; Sowas wie Serrano Schinken runterschneiden und Tapas. Frischen Fisch.

Falk: Tapas war für den Deutschen
wahrscheinlich zu klein?

120 Flaschen Rum

Dirk: Manche Gäste sind zum Essen gekommen, manche zum Trinken. Beide sind danach weitergezogen und die Kombination von Restaurant und Bar hat nicht wirklich funktioniert. Und mit dem falschen Partner, einem Kokser und Trinker. Dann habe ich letztlich alleine in dem Laden gestanden. Küche, Service und Drinks. Entsprechend war ich komplett durch. Dann hab ich beschlossen, dass das alles keinen Sinn macht und hab das hingeschmissen. Hirnverbrannt. Tschüss. Das
war der einzige Weg da rauszukommen. Ich hab dann in Kreuzberg einen kleine Bar
aufgemacht, den Rum-Club. Das was wir hier sehen, das hab ich alles von dort mitgenommen. Ich hab mit 120 Flaschen Rum angefangen, ungefähr. Ich hatte dann viele Kunden, die ich kannte, die sind mir einfach gefolgt. Und mussten dann Rum trinken. Mit offenen Augen und der Frage: „Oh, krass, das ist Rum? Ich wusste gar nicht, dass der so vielfältig ist.“

Falk: Wann war das?

Dirk: Das ist jetzt 14 Jahre her. Und das Publikum war begeistert. Was kannten sie? Havana Club, Bacardi, Myers, Captain Morgan, Stroh. Und dann war es das auch schon fast.

Falk: Welche Rum-Sorten hattest du damals schon im Programm?

Dirk: Lustigerweise hatte ich damals schon Albion und sowas. Natürlich auch Appleton und übliche Verdächtige. Alles was ich nicht hatte, war Bacardi. Aber Havana Club. Und dann musst du halt eine Mischung finden aus zugänglichen Sachen wie Zacapa und anderen Süßrums, wofür ich auch ein Stück weit dankbar bin.

Falk: Wusstest du damals schon, welche Tricks die Rum-Industrie verwendet?

Dirk: Damals hätte ich geschworen, dass das alles korrekt und hochwertig ist. Dann haben die Leute halt realisiert gehabt – das ist eine spannende Spirituose. Hat super funktioniert. Ich hab realisiert, dass ich eigentlich keine Ahnung von dem Zeug hatte. Bücher gab es nicht, das Internet war auch noch nicht so wie heute. Die logische Konsequenz war, ich hab mir gesagt, du musst da hinfahren, du musst dir das angucken, was die da machen. Meine erste Reise war dann nach Barbados. Richard Seale war der Erste, dessen Destille ich gesehen habe.

Falk: Und dann hast du gleich gedacht: Jetzt will ich mehr sehen?
Lacht

Liebe auf den ersten Blick

Dirk: Ja und dann haben wir das gemacht. Seitdem bin ich auch regelmäßig in der Karibik und Südamerika. Und da hab ich dann wirklich gelernt, wie das Ganze funktioniert. Und daraus ist dann entstanden, dass ich die ganzen Tastings mache. Damals bereits Rum & Schokolade, Rum & Zigarre und Rum & Käse. Also vor 14 Jahre damit gestartet. Bei diesen Tastings wurde ich dann gefragt, wo kann ich den denn kaufen? Es gab einfach in ganz Berlin keinen Laden. Es gab an jeder zweiten
Ecke ein Whisky- oder Weingeschäft. Und die hatten auch ein paar Flaschen Rum da stehen, aber nicht wirklich gelungen. Also beschloss ich, mich nach einer anderen Location umzusehen, in der ich Bar und Geschäft aufmachen konnte. Auf einem Sonntag rief mich dann ein Bekannter an und fragte, ob ich Zeit hätte. Ich soll mal rumkommen und mir was anschauen. Das Ganze auch nur knapp 10 Minuten Fußweg von mir zu Haus entfernt. Dann bin ich losgelaufen und hab es mir angesehen. Das war Liebe auf den ersten Blick. Es steht hier alles unter Denkmalschutz, alles original von früher. Damit haben wir dann angefangen, fünf Regale, einen großen Schreibtisch und einem recht leeren Raum. Und um noch einen drauf zu setzen hab ich zur gleichen Zeit das German Rum Festival zum ersten Mal gemacht.

Falk: Und dabei hast du dir gedacht, das muss hier auch laufen? In anderen Ländern tut es das auch, da waren die ja schon weiter?

Dirk: Ich war auf dem UK Rum Festival, fand ich halt richtig gut. In Deutschland, in Berlin gibt es jede Menge Whiskymessen. Wer kümmert sich um Rum? Also mach ich das German Rum Festival. Alle, die mich zu dem Zeitpunkt kannten haben gesagt, das kannst du nicht machen, das ist viel zu risikoreich. Ich hab es dennoch einfach gemacht!

Falk: Wo holt man so viel Zuversicht her, dass das auch funktioniert? Du brauchst ja jemanden, der auf der Messe mitmacht.

Dirk: Ich hatte ja den Vorteil dadurch, dass ich überall hin diese Reisen gemacht hab. Ich kannte die ja alle. Harris von Hampden und viele mehr. Mit denen war ich bereits per Du. Ich hab die alle angerufen und gesagt:“Hey, ich mach in Berlin das erste deutsche RumFestival, wie schauts aus?“ Da haben die alle sofort gesagt, klasse, wir sind da. So hatte ich aus dem Stand heraus so 25 Aussteller. Mit den richtig coolen Sachen.

Falk: Das Beste wahrscheinlich. Wo wir uns heute die Finger nach lecken. Und das damals kaum jemand haben wollte.

Dirk: Und finanziell hatte ich dadurch auch Glück. Das Risiko ist ja jetzt kein
Kindergarten, preislich gesehen. Letztlich war es trotzdem eine Zitterpartie. Alles aufgebaut und was machen wir, wenn keiner kommt? Dann sagte jemand, hey, habt ihr schon mal raus geguckt und die Schlange gesehen? Da kriege ich heute noch eine Gänsehaut. Das hat halt super funktioniert und so ist das entstanden. Dann ist das alles gewachsen, die Tastings, die Gastronomie. Und dann kam mein Vermieter irgendwann zu mir und fragte, ob ich nicht den anderen Laden an der Ecke auch dazu will. Da dachte ich mir, wie soll ich das bloß finanzieren? Aber wir wurden uns sehr gut einig. In dem Zuge sind wir dann mit dem Laden rübergezogen. Und hier haben wir die aktuelle Tasting-Lounge draus gemacht. Jetzt können wir die Gäste hier fantastisch unterhalten! So ist das alles entstanden.

Blaue Mauritius in Berlin

Dirk: Durch meine ganzen Kontakte hab ich auch Fässer angeboten bekommen. So haben wir angefangen unsere ersten Eigenabfüllungen zu machen. Rumclub Private Selection heißt das ja. So ist dann alles zusammen gewachsen. Beim zweiten Rum Festival war dann das erste Mal Rum aus Mauritius dabei. Blue Mauritius. Und während des Festivals haben die dem den Rum aus den Händen gerissen. Er kam dann auch danach gleich direkt zu mir und hat gefragt, ob ich nicht den Vertrieb machen will. Ich habe keine Ahnung davon, war meine erste Reaktion. Darauf hin meint er, du machst das schon. Besonders gefallen hat ihm, dass ich das mit so großer Leidenschaft tue. Dann hat der Nächste gefragt und plötzlich war ich auch Importeur. Viele Dinge sind aus der Situation heraus entstanden, ich hab sie einfach gemacht und dann sind sie gewachsen.

Falk: Das klingt sehr schön. Harmonisch entwickelt. Klar, viel Arbeit, viel Schweiß. Und viele Tränen sind wahrscheinlich auch
geflossen. Heute schaue ich natürlich mit großer Achtung hinauf - du hast x Rum Festivals hinter dir. Eine andere Frage. Blue Mauritius vs Gold of Mauritius. Wie ist es dazu gekommen?

Dirk: Das Ding war, als Frederic Blue Mauritius 2011 gestartet hat, hatte er nicht genügend Geld. Also beschaffte er sich einen Investor und somit Kapital mit ins Boot. Nach einem Jahr kam dieser dann zu Frederic und frage nach seinem Invest. Und der Rendite. Frederic war wie vor den Kopf gestoßen und sagte, dass wir doch gerade erst angefangen haben. Der Investor meinte, dann kann man doch bestimmt ein bisschen tricksen, dass alles schneller geht. Frederic war empört und wollte das auf keinen Fall tun. Es kam, wie es musste. Sie haben sich getrennt und er machte weiter unter der Marke Gold of Mauritius - auf eigene Faust.

Falk: Wie verhält es sich mit Manipulation? Ich habe beim Blue Mauritius mal läuten hören, dass dort gechippt wird. Kannst du dazu was sagen?

Dirk: Im Grunde kannst du das knicken. Dadurch, dass du so viele Holzflächen hast, beim Chippen, durch die vielen kleinen Holzchips, zieht der Alkohol in einer sagenhaften Geschwindigkeit die Holznoten raus. Das ist fast untrinkbar. Das bekommt so eine intensive und würzige Note, wie ein scharfes Zimtkaugummi. Richtig unangenehm. Einige Hersteller benutzen vermutlich Holzstäbe. Aber das reicht nicht aus, um in hoher Geschwindigkeit Reife ins Destillat zu bekommen. Gott sei dank funktioniert das nicht so, wie man vielleicht meint. Bei niedrigem Alkoholgehalt gelingt das mit den Holzstäbchen wesentlich besser, z.B. beim Wein.

Falk: Weil der niedrige Alkohol nicht so viel Stoffe aus dem Holz ziehen kann?

Dirk: Ja, genau. Je höher der Alkoholgehalt ist, desto schneller zieht er Geschmacksstoffe aus dem Holz.

Daniel: Beim Beschönigen und Vereinfachen sind ja viele sehr kreativ unterwegs. Jetzt zu hören,dass zumindest Chippen beim Rum wenig bringt, tut einfach gut.

Das würde Rum gewaltig
umkrempeln...

Falk: Falls du in der Lage bist durch kleine Veränderungen einen günstigen Rum so
schmackhaft zu machen, dass alle Welt ihn haben will und mit 30th Anniversary noch vorgaukelst, der wäre 30 Jahre alt - dann hast du gewonnen. Dann kaufen die Leute das. Was hab ich in meinen Anfängen gedacht, wie lecker Rum doch ist und wie alt die alle sind. Heute weiß ich, Rum wird gerne gesüßt, ob Tradition oder bewusst dafür entschieden und das Alter ist nicht selten ein Trugschluss, bzw. wurde in seiner Angabe bereits etwas verschärft. Ist das heute auch noch so?

Dirk: Im Zuge der Beschränkung auf maximal 20 Gramm Zucker den Liter im kommenden Gesetze für Rum geht das mit der Süßung nicht mehr so einfach. Häufig fehlt bereits jetzt die Bezeichnung Rum auf dem Etikett des einen oder anderen Produkts.

Falk: Das hab ich in der Vergangenheit bereits so vermutet. Etablierte Marken haben es da einfach – das Wort Rum zu streichen und alle im Glauben zu lassen, es ist noch Rum. Neue Marken hingegen schwerer – wenn sie etwas Ähnliches produzieren.

Dirk: Trotzdem ist es okay, wenn die Leute das kaufen und mögen. Es geht mir vor allem darum, die Kategorie Rum möglichst sauber darzustellen. Das Lustige daran ist, das in den meisten Ländern die Rumherstellung einem Gesetz unterliegt. Wie z.B.muss mindestens 2 Jahre im Holz liegen oder das nicht gezuckert werden darf und so weiter. Der Rum kommt dann rüber und wird hier für den europäischen Markt getrimmt. Nur ein kleines Beispiel: Pampero mit seinen 37,5%. Das gibt es dort im Ursprungsland überhaupt nicht, der muss dort mit 40% abgefüllt sein.

Falk: Es erscheint dann allerdings komisch, wenn zum Beispiel traditioneller Rum aus der Karibik dort schon immer gesüßt wurde und nun hier in Europa anderen oder veränderten Gesetzen unterworfen ist – nur um Rum heißen zu dürfen. Vielleicht macht der das bereits drei Generationen so und sein Vater hat es ihm beigebracht? Ich selbst habe absolut nichts dagegen, falls jemand Rum mag, der mit Orangenschale destilliert wurde. Oder vollgestopft mit Zucker ist. Wogegen ich aber etwas habe ist es, wenn es nicht auf dem Etikett steht. Geht es nach mir, so wäre ein
Gesetz zur Rum-Herstellung relativ einfach gehalten. Im Prinzip kannst du machen, was dir Spaß macht – aber schreib es auf die Flasche drauf.

Dirk: Transparent.

Daniel: Das würde die Industrie gewaltig
umkrempeln.

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