Marine

Ahoi und prost, Matrose! Rum in der englischen Marine

Es ist nur natürlich, den Rum mit der Seefahrt zu verbinden. Schließlich haben Entdecker und Seefahrer das Zuckerrohr in die Neue Welt gebracht. Die Europäer waren es auch, die später die Spirituose in die Alte Welt transportierten und auf diese Weise auch noch den Rum mit einer Fasslagerung veredelten. Davon einmal abgesehen ist die Royal Navy – die britische Marine – untrennbar mit der Spirituose aus Melasse verbunden. Der Navy Rum ist einen Blick hinter die Kulissen wert, denn der Rum in der englischen Marine lebt indirekt noch heute weiter.

Die Anfänge

Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die englische Marine auf königliches Geheiß auf die Beine gestellt und in eine dauernde Flotte von 30 Schiffen (in Friedenszeiten) verwandelt. Daraus entstand im Laufe der Zeit eine Seemacht, die weithin bekannt und gefürchtet war und jahrhundertelang stetig ausgebaut wurde. Die Royal British Navy diente nicht nur als wichtige Unterstützung bei militärischen Konflikten, sondern kam auch in den britischen Kolonien rund um den Globus zum Einsatz. Das brachte ein Problem bzw. eine Herausforderung mit sich: Die Matrosen an Bord mussten gut verpflegt werden. Mangelerscheinungen wie Skorbut waren dabei an der Tagesordnung. So beschloss die britische Marine, Spirituosen an Bord zu führen. Man wollte damit Vitamin-Mangelerkrankungen vorbeugen und gleichzeitig die Moral der Marinesoldaten aufrechterhalten. Bier wurde zuerst gewählt, doch dann stieß man in der Karibik nach der Eroberung von Jamaika auf riesige Rum-Rationen. Fortan – nach einem Beschluss von Vize-Admiral William Penn Mitte des 17. Jahrhunderts – wurde die Crew mit "tot" genannten Rum-Rationen versorgt, obwohl die britische Admiralität ihre offizielle Befürwortung nicht aussprach.

Vom Rum zum Grog

In der Anfangszeit erhielten die wackeren Seeleute den Rum pur, und das bald in täglichen Rationen, die immer beliebter wurden. Mitte des 18. Jahrhunderts kam Vize-Admiral Edward Vernon auf die Idee, die tägliche Ration Rum nicht mehr pur auszuschenken, sondern mit Wasser zu verdünnen. Der Anlass dazu waren betrunkene Soldaten, die sich trotz rigoroser Vorschriften nicht immer vermeiden ließen und für Gefahren während der Schiffsfahrten sorgten. Der erfahrene Seefahrer war ein kluger Kopf und beließ es nicht bei der Zugabe von Wasser: Er verordnete, dass man dem Rum-Gemisch außerdem Zitronensaft oder Limettensaft sowie Zucker beimischen sollte, um die Vitaminzufuhr für die Seeleute zu verbessern. Warum solltest Du dir das merken? Weil hier die Wurzeln vom bis heute beliebten Grog liegen! Vize-Admiral Vernon war nämlich dafür bekannt, einen wetterfesten Mantel aus Grogam-Stoff zu tragen. Aus diesem Grund hatte man ihm den Spitznamen "Old Grog" verliehen. Seine Anweisungen wurden 1756 in die allgemeinen Regeln der Royal Navy übernommen, und später benannte man den hieraus entstandenen Drink Grog.

Grog
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Rum in der englischen Marine: Trinkrituale an Bord

Nicht nur das Mischen von Rum zu Grog wurde zum täglichen Ritual für die Marinesoldaten, sondern es gab auch andere Trinkrituale auf den Schiffen der Navy. Jeden Tag pünktlich um elf Uhr ("6 bells at the forenoon watch") hörten die Seeleute das Pfeifsignal "Up Spirits". Mehrere Offiziere und Matrosen versammelten sich dann vor dem Spirits Room, entriegelten ihn und holten mithilfe eines Syphons die tägliche Rum-Ration aus dem dort gelagerten Holzfass. Marinesoldaten mit einem höheren Rank wie Petty Officer und Chief Officer durften ihren Rum pur trinken, wohingegen der Rest der Spirituose aufgeteilt und vermischt wurde. Er wanderte in einem großen Bottich, und dann gab man das Signal "Runcall", mit dem man die einzelnen Wachen aufrief. So wurden die Rationen verteilt, wobei man den Rest der Flüssigkeit vernichtete, damit nicht heimlich jemand mehr trinken konnte.

 

Der auf dem Schiff als Purser bezeichnete Matrose war für den Rum-Bestand an Bord verantwortlich. Manchmal nannte man ihn auch "pusser" – und davon wurde die aktuelle Rummarke Pusser's Navy Rum inspiriert! Das eben beschriebene Rum-Ritual wurde auf den Marineschiffen zweimal täglich abgehalten. Etwa 71 ml Rum, vermischt mit Wasser in einem Verhältnis von 1:3, waren pro Pint bzw. Ration erlaubt. Rum pur nannte man Nord, 3 Anteile Rum mit 1 Anteil Wasser wurde Nordnordwest genannt, Rum und Wasser zu gleichen Teilen bezeichnete man als Nordwest, und 1 Anteil an Rum mit 3 Anteilen an Wasser war im diesem Zuge Westnordwest, da West für das Wasser stand. An jedem Wochentag sprach man einen anderen Toast aus, während man den Rum trank. Die Rum-Gläser wurden separat von den anderen Gläsern an Bord aufbewahrt. Man wusch sie nur außen, niemals innen; die Soldaten waren nämlich der Ansicht, der winzige Rest an Flüssigkeit im Inneren des Glases würde sich am Rand ansammeln und den eingeschenkten Rum noch stärker machen. Während die erste Ration zwischen zehn und zwölf Uhr verabreicht wurde, erhielten die Seemänner die zweite Ration zwischen vier und sechs Uhr am Nachmittag. Mehr als 200 Jahre lang hielt man an den Rationen und Ritualen fest, wobei sich das Mischverhältnis von Grog im Laufe der Jahrhunderte ein wenig veränderte.

Warum heißt Rum Nelson's Blood?

Im Jahre 1805 fand die Schlacht von Trafalgar statt. Vor der Küste Spaniens besiegte die britische Marine die französische Flotte von Napoleon, und das Ereignis ging in die Geschichte ein. Lord Horatio Nelson war der kommandierende Offizier der British Navy, und er kam bei der Schlacht ums Leben. Als Held sollte er natürlich mit all dem gebührenden Respekt eine militärische Bestattung in seiner Heimat erhalten – aber das stellte die Crew vor eine Herausforderung: Wie sollte man den Körper auf der langen Seefahrt zurück nach England konservieren? Es kam der Besatzung die zündende Idee, Lord Nelsons Leiche in einem großen Fass mit Rum einzulegen. Bei der Ankunft in Großbritannien bemerkte man überrascht, dass ein Großteil des Rums im Fass verschwunden war. Nähere Untersuchungen führten zutage, dass clevere Matrosen ein kleines Loch in das Rumfass gebohrt hatten, um heimlich den Inhalt zu trinken. Jener Rum wurde als Nelson's Blood (also Nelsons Blut) bezeichnet, und der Begriff blieb bestehen.

Schiff

Das Ende einer Ära: das Verbot der Rum-Rationen für die Navy

Im 19. Jahrhundert wurden die Beschwerden von Antialkoholikern immer größer. Sie kritisierten u. a. das Risiko, das durch den Konsum von Alkohol auf Seereisen entstand. Das führte dazu, dass man in vielen Ländern – wie in den USA und in Deutschland – die Rum-Rationen für Marinesoldaten abschaffte. Die britische Marine gab sich nicht so leicht geschlagen. Sie änderte das Mischverhältnis von Grog, kürzte die Rationen und hörte auf, minderjährige Marinesoldaten mit dem täglichen "tot" zu versorgen. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts, nach zwei Weltkriegen, ließ sich die Royal British Navy dazu überreden, die tägliche Rum-Ration für ihre Matrosen zu stoppen. Das hatte u. a. damit zu tun, dass immer mehr Technik mit ausgefeilter Bedienung an Bord war und das Risiko von Fehlhandlungen unter dem Einfluss von Alkohol einfach zu groß wurde. 1970 gab man den offiziellen Beschluss bekannt, um am 30. Juli desselben Jahres wurde zum letzten Mal an Bord eines englischen Marineschiffes "Up Spirits" gerufen. Dieser Tag ging als Black Tot Day in die Geschichte ein, und angeblich sollen diverse ältere Marinesoldaten deshalb die Frühpensionierung in Betracht gezogen haben.

Das Erbe von Navy Rum

Zwar wurde ein Verbot ausgesprochen, aber die britische Admiralität verfügte über einen beachtlichen Rum-Bestand in den königlichen Lagerhäusern. Rund ein Jahrzehnt nach dem Black Tot Day kaufte Charles Tobias das Rezept für den speziellen Navy Rum und sicherte sich das Recht, ihn zu produzieren. Auf den British Virgin Islands (den zu Großbritannien gehörenden Jungferninseln) etablierte er eine eigene Brennerei, und seitdem ist er für Pusser's Navy Rum verantwortlich. Bis heute ist dieses Unternehmen der Vorreiter beim Navy Rum, wobei es noch weitere Marken wie Black Tot Navy Rum (aus den Original-Beständen der Royal British Navy) und Lamb's Genuine Navy Rum zu entdecken gibt. Dabei solltest Du den Navy Rum nicht mit dem Navy Strength Rum verwechseln. Letzterer orientiert sich lediglich an den damaligen Spirituosen und wird wie diese in erhöhter Trinkstärke abgefüllt.

Eine Eigenheit von Navy Rum ist bis heute erhalten geblieben: In der Regel handelt es sich um Blended Rum aus mehreren Destillaten, wobei der Anteil an Demerara Rum aus Guyana hoch ist. Der dunkle Rum zeigt sich von der aussagekräftigen, geschmacksintensiven und ziemlich körperreichen Seite. Er eignet sich – nicht zuletzt dank ausreichend Volumenprozent Alkohol – für das Mixen von Cocktails und Longdrinks wie Grog, wird aber eher selten pur getrunken.

Rum

Was ist Navy Strength Rum?

Wieso verfügt Navy Rum über einen erhöhten Alkoholgehalt und ist genau genommen ein Overproof Rum? Das hat seinen guten Grund: Der Rum in Fässern auf den Schiffen der englischen Marine konnte bei rauer See und Missgeschicken mit dem Rest der Ladung in Berührung kommen. Vermischte sich die Flüssigkeit mit Schießpulver, wurde dieses gänzlich unbrauchbar. Man fand mit der Zeit heraus, dass ein hoher Alkoholgehalt dies vermied, und so wurde der Navy Strength Rum mit mehr als 50 % Volumenprozent ins Leben gerufen. Damals lag der Alkoholgehalt von "tot" bei 54,6 % vol. (95,5 proof). Interessanterweise verdanken wir dieser Tatsache – und den damaligen Gegebenheiten der Besteuerung von Spirituosen – die englischen Begriffe proof und Overproof, die als Synonyme für den (erhöhten) Alkoholgehalt genutzt werden. Man tränkte Schießpulver in Rum, um seinen Alkoholgehalt festzulegen. Lag der Alkoholgehalt unter 57,15 % vol. (100 proof), war das Schießpulver unbrauchbar. Rum mit mehr Trinkstärke war "over proof". Umgerechnet wird proof ermittelt, indem man die Trinkstärke in Volumenprozent mit 1,75 multipliziert.

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