Thomas Schröder

Mexico aus Sicht eines Radfahrers

Der Grenzübertritt raus aus den Vereinigten Staaten rein nach Mexiko ist unspektakulär. Die US-amerikanische Verwaltung ist seit Wochen lahmgelegt, weil der Präsident dieses mächtigen Landes eine Mauer nach Mexiko bauen will. Ich bin froh, dass diese Mauer nicht steht, denn so komme ich fast ungehindert nach Acuna, einem mexikanischen Grenzort.

Mir fällt auf, dass die Entfernungsangaben nun wieder in Kilometern angegeben sind. Die Vegetation ist karg und trocken, doch mir macht das nichts aus. Darüber hinaus lassen die endlosen Geraden und die nunmehr gefahrenen 4000 Kilometer meinen Motivationsspiegel steigen. Mein erster Eindruck von Mexiko und seinen Menschen ist positiv. Selbst über die mexikanischen Hunde kann ich bisher nichts Negatives berichten.

Der positive Eindruck von den Menschen sollte sich beinahe täglich bestätigen. So werde ich immer wieder von vorbeifahrenden Fahrzeugen freundlich angehupt und winkende Arme fliegen mir entgegen. Immer wieder treffe ich Menschen, mit denen ich mich in allen möglichen Variationen unterhalte, bekomme kleinere Geschenke und merke, dass es richtig war, dieses Abenteuer einzugehen. Ich schöpfe immer wieder neue Motivation aus diesen Begegnungen.

Auf meiner Etappe von Monclova in Richtung Monterrey durchquere ich das mexikanische Death Valley und der Name ist Programm. Die bisher schon karge Landschaft verwandelt sich in eine noch kargere, geschmückt mit Kakteen und Dornenbüschen. Zum Frühstück gibt es Tacos mit Salsa-Sauce, die meinem europäischen Mund den gesamten Tag ein brennendes Gefühl verschafft. Das ist Mexiko. Mexiko sind auch die wunderschönen Sonnenuntergänge, die ich unter Palmen, mitten in der Steppe oder auch auf dem 2625 Meter hohen Berg Cerro Tía Chena genießen darf.

Aus dieser melancholischen Stimmung und Landschaft werde ich dann aber kurz vor der Millionenstadt Monterrey gerissen. Dreck und Lärm begleiten mich und in kurzen regelmäßigen Abständen muss ich nun für die Benutzung der Straße an aufgebauten Kassenhäuschen zahlen.

 

Bevor ich nach Monterrey fuhr, hat mich ein netter Herr vor der Gewalt in dieser Stadt gewarnt und mir geraten, auf mich Acht zu geben. Diese Warnung schien nicht grundlos, kommen mir doch mehrere dunkle Pick Ups der Polizei oder des Militärs entgegen, auf deren Ladeflächen maskierte und mit Maschinengewehren bewaffnete Männer stehen. Die werden nicht zum Essen fahren, denke ich bei mir.

Im Gegensatz zu den Ninjas auf den Pick Ups fühle ich mich in Gegenwart von Santa Claus schon viel wohler. Diesen treffe ich in einem Fast Food Restaurant. Die Betreiber haben ihn für die Kinder engagiert, doch nachdem er mich und mein Fahrrad vor der Tür bemerkt hatte, interessiert sich der in einen roten Umhang gehüllte Santa vorerst nur für mich. Wir unterhalten uns und ich bitte um ein Foto. Weihnachten in Mexiko fühlt sich für mich wie die Sommerurlaube in Tunesien oder der Türkei in meiner Jugend an. Für Weihnachtsstimmung sorgt dann die Bescherung zu Hause, die ich am Abend trotz der großen Entfernung dank WiFi mitverfolgen kann.

Gleich zum Start in das neue Jahr gönne ich mir ein Hotel, um zu Kräften und sauberer Haut zu kommen. Ein Pool und nette Menschen lassen meinen Motivationshaushalt wieder steigen.

Doch so positiv setzt sich mein weiterer Reiseverlauf durch Mexiko nicht fort. Die Sonne macht den ersten Regenwolken seit Langem Platz und der niederprasselnde Regen hält sich standhaft. Und auch die bisher so friedlichen Hunde zeigen sich von einer anderen, bissigen Seite. Innerhalb kurzer Zeit muss ich zwei Hundeangriffe abwehren, bei denen ich Gott sei Dank unverletzt bleibe. Doch nicht nur die Hunde haben es auf mich abgesehen, sondern auch ganze Ameisenvölker fühlen sich in meinem Zelt und auf meiner Haut pudelwohl.

Doch diese unangenehmen Begegnungen sind vergessen, als ich 15 Kilometer bergab dem Pazifik entgegenrolle. Ein atemberaubender Blick auf diesen Ozean, der alle Gedanken für einen kurzen Moment stillstehen lässt.

Thomas Schröder
Thomas Schröder

Kurz vor der Grenze zu Guatemala kommt mir ein SUV entgegen, der dann die Straße mit quietschenden Geräuschen in Richtung Böschung verlässt. Diese rutscht das Fahrzeug herunter und wickelt sich um einen Baum. Mir steht der Mund offen vor Schreck und ich renne zur Böschung. Gleichzeitig winke ich ankommende Fahrzeuge in meine Richtung in der Hoffnung, Hilfe zu organisieren. Ich schaffe es, Autofahrer zum Halten zu animieren und gebe einem mein Telefon und bitte ihn, die Polizei zu verständigen. Diese kommt dann auch und dem Fahrer kann geholfen werden.

Mit den Bildern des blutenden Mannes fahre ich weiter auf die Grenze zu. Doch auch die Bilder der schönen Sonnenuntergänge, der freundlichen Menschen und der abwechslungsreichen Natur bleiben mir von Mexiko im Gedächtnis. Ich erreiche Guatemala mit nunmehr über 6000 gefahrenen Kilometern und habe die Hoffnung, weitere dieser Momente zu sammeln.

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